Arbeitszeugnis und Bedeutung der Formulierungen entschlüsseln – Typische Codes & versteckte Hinweise

Endet ein Arbeitsverhältnis, öffnet ein gutes Arbeitszeugnis die Tür zu einem neuen Job. Doch was bedeuten die Formulierungen überhaupt und sind sie wirklich wohlwollend formuliert?

Arbeitszeugnis und Bedeutung der Formulierungen entschlüsseln - Typische Codes & versteckte Hinweise
Ein Arbeitszeugnis muss wohlwollend formuliert sein – © MQ-Illustrationen / stock.adobe.com

Arbeitszeugnisse sind gesetzlich dazu verpflichtet, wohlwollend formuliert zu sein. Gleichzeitig nutzen viele Unternehmen feste sprachliche Codes, um Aussagen über Leistung und Verhalten zu treffen, ohne offene Kritik zu äußern. Wer sein Zeugnis korrekt einordnen möchte, sollte typische Formulierungen im Arbeitszeugnis erkennen und bewerten können.

Bedeutung der Leistungsformel im Arbeitszeugnis

Sätze wie „Er erfüllte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ klingen zunächst positiv. Doch sie sind Teil eines abgestuften Systems, bei dem schon kleine sprachliche Unterschiede deutliche Auswirkungen auf die Gesamtbewertung haben.

Die folgende Übersicht zeigt, wie die Formulierungen in der Praxis interpretiert werden:

FormulierungBewertung
„stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“sehr gut (Note 1)
„zu unserer vollsten Zufriedenheit“gut bis sehr gut (Note 1 – 2)
„stets zu unserer vollen Zufriedenheit“gut (Note 2)
„zu unserer vollen Zufriedenheit“befriedigend (Note 3)
„stets zu unserer Zufriedenheit“ausreichend (Note 4)
„zu unserer Zufriedenheit“schwach (Note 4 – 5)
„im Großen und Ganzen zufriedenstellend“mangelhaft (Note 5)

Fehlen Verstärker wie „stets“ oder „vollstens“, ist das in der Regel ein Hinweis auf eine weniger gute Bewertung. Auch allgemein gehaltene Aussagen ohne konkreten Leistungsbezug können negativ ausgelegt werden.

Typische Codes und versteckte Hinweise

Arbeitszeugnis und Bedeutung der Formulierungen entschlüsseln - Typische Codes & versteckte Hinweise
Bestehen Sie auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis – © Arbeitstipps.de

Arbeitszeugnisse verwenden häufig standardisierte Floskeln und Codes, die nicht offen kritisieren, aber trotzdem eine klare Aussage transportieren. Einige Beispiele:

  • „Er zeigte Verständnis für betriebliche Belange.“
    Zurückhaltende Formulierung, die auf geringe Eigeninitiative hindeuten kann.
  • „Sein Verhalten gegenüber Kollegen war einwandfrei.“
    Klingt neutral, lässt aber das Verhalten gegenüber Vorgesetzten bewusst aus.
  • „Er hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten eingesetzt.“
    Spricht keine klare Leistung an und wirkt ausweichend.

Je allgemeiner und passiver die Sprache, desto eher wurde Kritik verpackt.


Auch Aussagen zum Sozialverhalten, zur Zusammenarbeit im Team oder zur Führung werden häufig codiert dargestellt. Dabei gilt:

  • „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war jederzeit einwandfrei.
    Diese vollständige Dreigliederung gilt als bestmögliche Bewertung im Bereich Sozialverhalten.
  • „Er war bei Kollegen beliebt.“
    Klingt freundlich, sagt aber nichts über die Arbeitsleistung aus.
  • „Das Verhalten gegenüber Mitarbeitern war stets korrekt.
    Formulierungen wie „korrekt“ gelten als Mindestmaß an Professionalität. Sie deuten oft darauf hin, dass der Umgang sachlich, aber wenig positiv geprägt war.
  • Er war im Kollegenkreis geschätzt.
    Diese Aussage betont ausschließlich das Verhältnis zu Kollegen und lässt andere Personengruppen aus. Das kann darauf hindeuten, dass es im Umgang mit Führungskräften oder Kunden Unstimmigkeiten gab.
  • „Im Kontakt mit Geschäftspartnern trat er höflich auf.
    Der Fokus auf äußere Form ohne inhaltliche Bewertung des Verhaltens ist auffällig zurückhaltend. Fehlt eine Aussage zur Wirksamkeit des Handelns, lässt das auf begrenzte Wirkung schließen.

Ein vollständiges Zeugnis sollte alle relevanten Bereiche umfassen. Insbesondere dann, wenn Führungsverantwortung bestand. Fehlen diese Passagen, liegt der Verdacht nahe, dass die Leistung dort nicht überzeugte.

Abschlusssätze mit Signalwirkung

Besonderes Gewicht hat der Schlussteil des Zeugnisses. Dank und gute Wünsche sind hier Standard. Das Fehlen bestimmter Elemente kann negativ wirken:

  • „Er verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch.“
    Neutral, aber auch häufig eine Floskel bei Trennungen im gegenseitigen Einvernehmen.
  • „Wir danken für die geleistete Arbeit und wünschen ihm weiterhin viel Erfolg.“
    Vollständige Abschiedsformel, die positiv wirkt.
  • „Wir wünschen ihm alles Gute.“
    Knappe Variante ohne Dank, häufig ein Hinweis auf Unzufriedenheit.
  • Dank an Kollegen, aber nicht an Vorgesetzte:
    Kann auf Schwierigkeiten im hierarchischen Verhältnis hindeuten.

Wenn Dank, Anerkennung und Zukunftswünsche fehlen oder nur sehr knapp formuliert sind, deutet das in der Regel auf ein angespanntes oder enttäuschendes Arbeitsverhältnis hin.

Form, Fristen und neue Standards

Seit Januar 2025 dürfen Arbeitszeugnisse auch elektronisch erstellt und signiert werden. Ein qualifiziert signiertes PDF auf Firmenbriefpapier gilt rechtlich als gleichwertig zum Papieroriginal. Beide Varianten sind zulässig, solange die Echtheit nachgewiesen werden kann. In der Praxis bleibt die klassische Druckversion dennoch weiterhin weit verbreitet.

Personalabteilungen setzen inzwischen vermehrt auf automatische Textgeneratoren für die Zeugnisformulierung. Die daraus entstehenden Formulierungen wirken häufig unpersönlich und standardisiert. Arbeitnehmer sollten deshalb aufmerksam prüfen, ob ihr Zeugnis konkrete Inhalte und individuelle Aspekte widerspiegelt, insbesondere bei Führungstätigkeit, Projekten oder besonderen Erfolgen.

Hinzu kommt: Die zunehmende Vereinheitlichung vieler Zeugnisse führt auf Seiten der Personalverantwortlichen zu wachsender Skepsis. Standardfloskeln ohne Substanz verlieren an Aussagekraft. Ein differenziertes, realitätsnahes Zeugnis überzeugt weitaus stärker, vor allem im digitalen Bewerbungsprozess.

Was Sie tun können, wenn das Zeugnis nicht stimmig ist

Bei Zweifeln an der Bewertung lohnt es sich, das Arbeitszeugnis prüfen zu lassen. Folgende Schritte helfen dabei:

  • Einschätzung durch Fachpersonen, etwa aus Gewerkschaften, Berufsverbänden oder dem Arbeitsrecht.
  • Schriftliche Korrekturanfrage beim Arbeitgeber, mit Hinweis auf konkrete Passagen und Gegenvorschläge.
  • Nachweise beifügen, die die eigene Leistung dokumentieren, zum Beispiel Projektbeteiligungen, Zielerreichung oder interne Auszeichnungen.
  • Auf ein qualifiziertes Zeugnis bestehen, wenn bisher nur ein einfaches Zeugnis ausgestellt wurde.

Ein wohlformuliertes Arbeitszeugnis ist mehr als eine Pflichtaufgabe des Arbeitgebers. Es wirkt sich unmittelbar auf zukünftige Bewerbungen aus. Wer die Sprache dahinter versteht, erkennt frühzeitig mögliche Stolpersteine.

Ringo Dühmke
Über Ringo Dühmke 650 Artikel
Gründer von Arbeitstipps.de und einigen anderen Websites (LinkedIn). Gelernter Kaufmann mit großer Leidenschaft für (das Schreiben über) Unternehmen und Unternehmer aller Art. Fachgebiet: Prozesse, Onlinemarketing, Digitalisierung und Automatisierung.